Was kann man als Sylt-Urlauber von Helgoland erwarten? Auf jeden Fall das: beeindruckende Klippen, einen wunderschönen Strand, zahllose Vögel rund um die „lange Anna“, farbenfrohe Holzhäuser am Hafen und eine idyllische Einkaufsstraße. Und wer es mag, der kann sich auch ausgiebig über die militärische Vergangenheit der Insel informieren. Einige Reste der militärischen Anlagen gibt es heute noch zu sehen. Helgoland hat eben eine besondere Lage, die die Militärs schon unter Kaiser Wilhelm zu schätzen wussten. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde demilitarisiert, Ende der 1930er Jahre wieder aufgerüstet – und dann nach 1945 endgültig zerstört. An den „Big Bang“, die gewaltigen Sprengungen durch die Engländer, denkt man noch heute mit einem Schaudern zurück. Einige Bauwerke aus Kriegszeiten gibt es noch immer, zum Beispiel den Tunnel zwischen dem Unterland und dem Oberland. Oder den früheren Flakleitturm, der inzwischen als Leuchtturm dient.
Gut 50 Höhenmeter gibt es für jeden zu überwinden, der von Sylt aus im Helgoländer Hafen ankommt. Mit der „Adler Express“ ist der Gang an Lang übrigens weniger abenteuerlich als mit vielen anderen Schiffen. Die „Adler Express“ ist nämlich so flach, dass sie direkt ins Hafenbecken fahren und an der Mole festmachen kann. Viele andere Schiffe müssen vor dem Hafen ihren Anker werfen, die Passagiere dann mit kleinen Booten übersetzen. Je nach Seegang kann das eine ziemlich wackelige Angelegenheit sein, auf die viele Passagiere sicher gerne verzichten würden.
Um die Differenz zwischen dem Unterland mit dem Hafen und der Oberland zu überwinden, gibt es neben dem Tunnel zwei weitere Möglichkeiten: eine einfache und eine anstrengende, dafür aber auch schönere Variante. Schnell und kräfteschonend geht es mit einem Aufzug nach oben, den man vom Hafen über eine Einkaufsstraße in wenigen Minuten erreicht. Muskelkraft hingegen ist gefragt beim Aufstieg über unzählige Treppenstufen. Unterwegs gerät man schon mal ein wenig außer Atem, wird dafür aber mit weiten Ausblicken über den Hafen, die Dühne und das offene Meer belohnt. Meter um Meter kämpft man sich nach oben, bis schließlich ein sehr lohnenswerter Rundweg beginnt. Auch die Uwe-Dühne in Kampen erklimmen die meisten Sylt-Urlauber eher schnaufend als tiefenentspannt. Dafür gibt es aber auch keinen vergleichbaren Ausblick über ganz Sylt.
Der Rundweg durchs Helgoländer Oberland führt immer ganz nah an den Klippen entlang (keine Sorge: Zäune sorgen für Sicherheit), am Leuchtturm und weidenden Kühen vorbei bis zu den berühmtem Felsen, die in jeder TV-Reportage über Helgoland auftauchen. Hier brüten sie in unvorstellbar großer Zahl, die Trottellummeln und Balstölpel, und sie nutzen dabei buchstäblich jeden Quadratzentimeter der Steilfelsen. Wie bei den Menschen gibt es auch bei den Tieren offensichtlich „gute und schlechte Lagen“. Meerblick haben sie hier zwar alle – aber die Nistplätze mit viel Sonnenschein und gleichzeitig Windschatten sind sozusagen der Jackpot. So ähnlich wie eine Villa in erster Linie am Kampener Watt. An manchen Stellen rücken die Helgoländer und ihre Gäste den Vögeln ganz schön auf die Pelle. Gerade mal zwei Meter trennen den Weg von den Brutplätzen der Tiere. Doch die scheint das nicht weiter zu stören.
Vogelkundler kommen hier jedenfalls auch ohne meterlanges Fernrohr auf ihre Kosten, und schöne Fotomotive gibt es auch an jeder Ecke. Ein Höhepunkt des Rundwegs ist dann die „lange Anne“, der 47 Meter hohe Felsbrocken, der steil aufgerichtet im Meer steht und früher einmal über einen Bogen mit dem Rest der Insel verbunden war. Mit der „langen Anna“ ist es ein wenig wie mit der Hörnum-Odee im Sylter Süden: Die Nordsee nagt unaufhaltsam an beiden Besuchermagneten. Und hier wie dort ist es wohl nur eine Frage der Zeit, bis das Meer den Kampf gewinnt. Bei der „langen Anna“ kommen wegen der porösen Felsstruktur jeden Winter noch mehr oder weniger ausgeprägte Frostschäden dazu. Wie lange das Helgoländer Wahrzeichen also noch stehen wird, kann keiner sagen.
Von der „langen Anna“ geht es auf dem Rundweg in weitem Bogen zurück Richtung Hafen. Unterwegs bietet sich dann noch die Chance, den einzigen Strand auf der Hauptinsel zu besuchen. Wieder gilt es die rund 50 Höhenmeter zu überwinden, diesmal in umgekehrter Richtung und über eine sehr schmale Treppe. Von unten betrachtet, sieht sie ziemlich abenteuerlich aus – aber wenn man diesen Blick nach oben werfen kann, steht man ja schon sicher im weißen Sand. Hier liegen auch die bekannten Helgoländer Feuersteine. Um ein schönes Exemplar zu finden, braucht man allerdings schon ziemlich viel Glück. (Oder einfach ein paar Euro, denn im Hafen kann man sie als Andenken auch kaufen.)
Mit dem Strand ist das auf Helgoland übrigens so eine Sache: Der Sylt-Urlauber ist es ja gewohnt, dass er von den meisten Punkten auf der Insel ganz schnell ans Wasser kommt. Einfach ein paar Meter durch die Dünen auf der Westseite laufen, und schon öffnet sich der weite Strand. Auf Helgoland ist das nicht so einfach, denn hier findet der Strandurlaub auf einer separaten Insel statt. Von der Hauptinsel aus geht mit einer kleinen Fähre auf die gut einen Kilometer entfernte „Düne“ (so heißt die Insel, die im 17. Jahrhundert noch eine feste Verbindung mit Helgoland hatte und dann durch eine Sturmflut getrennt wurde).
Wer es bei seinem Kurzbesuch auf Helgoland bis auf die Düne schaffen will, muss den Rundweg schnellen Schrittes absolvieren und darf sich nicht lange beim Shopping aufhalten. Doch auch deswegen kommen viele Gäste nach Helgoland. Hier fällt schließlich keine Mehrwertsteuer an, was die Preise für Kleidung, Handtaschen und Parfüms spürbar senkt. Auch Alkohol und Zigaretten werden gerne als „Souvenirs“ mit nach Hause genommen. Zollfrei, so warnt der Kapitän schon bei der Überfahrt, sind allerdings nur eine Flasche Schnaps und eine Stange Zigaretten pro Person ab 17 Jahre. Und insgesamt dürfen die steuerfreien Einkäufe nicht mehr als 400 Euro wert sein. Wer mehr mitnehmen will, muss zum Zoll und seinen Obolus entrichten. Die Beamten haben ihr Büro direkt am Hafen. Und machmal, so hat der Kapitän gewarnt, gibt es auch beim Aussteigen nach der Rückkehr noch Kontrollen…
Apropos Rückkehr: Selbst wenn die Hinfahrt morgens noch ziemlich ruhig verläuft, kann es vorkommen, dass abends der Wind ein wenig auffrischt. Wenn der Kapitän dann „kernige sechs bis sieben“ Windstärken durchgibt, sollte sich niemand wundern, dass kurz darauf Mitarbeiter der Reederei mit kleinen blauen Papiertüren und Servietten auftauchen. Und die Erfahrung zeigt, dass viele Passagiere diese Tüten schon sehr bald sehr dringend brauchen. Wohl dem, der dann seine Tour bei schönem Wetter gebucht hat einen Platz unter freiem Himmel ergattert hat. Und ganz bestimmt gibt es dann auch einen Witzbold an Bord, der im Angesicht seiner kreidebleichen Mitfahrer den alten Schlager anstimmt: „Eine Seefahrt, die ist lustig, eine Seefahrt, die ist schön…“
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