Im Jahre 1769 ergab eine Volkszählung, dass aktuell 2.814 Einwohner auf Sylt lebten. Die Zeit des Walfangs geht zu Ende, und die Sylter entdecken eine andere Einnahmequelle, von der sie bis heute zehren sollten: den Tourismus. Bereits 1855 wird Westerland zum Seebad ernannt, und 1908 sollten bereits 25.000 Badegäste auf die Insel kommen. Zuvor muss jedoch noch erwähnt werden, dass Sylt nach dem Deutsch-Dänischen Krieg 1866 an Preußen überging und gänzlich in die Provinz Schleswig-Holstein eingegliedert wurde.
Mit dem Zug auf die Insel
Durch den Tourismus und die Ernennung Westerlands zum Seebad bekommt der einst kleine Ort eine wichtige Bedeutung für Sylt und löst schließlich das wohlhabende Keitum als Hauptort der Insel ab. Den Ersten Weltkrieg überstand Sylt relativ unbeschadet, so dass man die immer noch einzige direkte Landverbindung, den Hindenburgdamm 1927 fertig stellen konnte. Auf 11 Kilometern wurde man damals und wird man heute per Zug auf die Insel gebracht. Benannt ist der Damm nach Reichspräsident Paul von Hindenburg. Zunächst fuhr die Marschbahn über den Damm, heute verkehren hier Personen- und Autozüge.
Dunkle Zeiten
Nicht entziehen konnte sich Sylt der dunklen Zeit zwischen 1933 und 1945. Auch die Nazis entdeckten das Eiland für sich und verbrachten dort ihre freie Zeit. Bis heute kann man am südwestlichen Ortsrand von Wenningstedt das ehemalige Haus von Hermann Göring sehen, welches immer noch unverändert an der Küstenlinie steht. Leider ließen sich auch viele Inselbewohner von der faschistischen Ideologie einfangen, und schon bald musste man an Hotels und Gaststätten Begriffe wie „judenfrei” lesen, die klar machten, welches Gedankengut hier vorherrschte. Es dauerte nur wenige Jahre, bis man auch in Westerland und anderen Orten Hakenkreuzflaggen sah. Ein echtes Kleinod weltoffener und kritischer Gesinnung blieb in dieser Zeit Kampen, welches seit jeher Künstler und Freigeister anzieht. So trafen sich während der Naziherrschaft immer wieder Regime-Kritiker im Haus „Kliffende” in der Kampener Heide (s. Beitragsbild). Ein gutes Beispiel für Widerstand ist in diesem Zusammenhang die Pensionswirtin Clara Tiedemann: Sie interessierte der Aufmarsch der SA herzlich wenig, und eine Hakenkreuzflagge suchte man in ihrem Garten selbst bei diesen offiziellen Anlässen vergebens. Hätten mehr Menschen ein solches Rückgrat besessen, es wäre der Menschheit vieles erspart geblieben.
1938 entstand das Rantum-Beckens in seiner heutigen Form durch den RAD (Reichsarbeitsdienst). Dienen sollte es damals als tidenunabhängiger Wasserflugplatz. Als es schließlich fertig war, stuften die Verantwortlichen es als nicht mehr kriegswichtig ein – erhalten blieb es trotzdem. Heute ist das Rantum-Becken ein großes Naturschutzgebiet. Insgesamt blieb Sylt von kriegerischen Handlungen einigermaßen verschont, obgleich sich die Nazis mit großen Bunkeranlagen und schweren Geschützen in den Dünen vom „Ellenbogen” bis nach Hörnum vor einem möglichen Einmarsch gegnerischer Armeen über die Nordsee absicherten. Die ersten Bomben jedoch, die auf deutschen Boden trafen, taten dies in Hörnum.
Vertriebene auf Sylt
1945 schließlich war der Spuk endlich vorbei, die Nazis kapitulierten widerstandslos und Deutschland war befreit von der tyrannischen Herrschaft der NSDAP. Nun kamen zahlreiche Flüchtlinge nach Sylt, die zunächst in Lagern untergebracht wurden. Nach und nach fanden viele der Vertriebenen Arbeit auf der Insel, und so findet man bis heute den einen oder anderen ostpreußische Familiennamen auf Sylt. Kurzzeitig lebte auch eine Gruppe Helgoländer auf Sylt, die nach Kriegsende von ihrer zur Sperrzone erklärten Insel fliehen mussten. Jedoch kehrten die Helgoländer nach der Freigabe ihrer Insel wieder dorthin zurück.
Nach und nach erholte sich Sylt wie ganz Deutschland von der Schreckensherrschaft, und man ging wieder zum Tagesgeschäft über. Vor allem der Tourismus boomte, denn in den 50er und 60er Jahren wollten die Deutschen vor allem eines – reisen.
Nächstes Mal: Reiselust und Meeresrauschen – die Zeit nach 1950
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