Was macht dieses besondere Syltgefühl aus? Der breite Strand, das blaue Meer, die schmucken Reetdachhäuser? Ja, sicher. Aber da ist noch viel mehr mehr: Es ist auch die schier unendliche Weite, die unberührte Natur in ihrer ganzen Schönheit, und die vollkommene Stille selbst im größten Trubel. Mit Musik und Partystimmung in Westerland hat dieses Gesicht von Sylt rein gar nichts zu tun. Und doch gehört es (mindestens) ebenso sehr zu Sylt. Und wenn man es ganz genau nimmt, ist die ruhigere Seite das eigentliche, das ursprüngliche Gesicht der Insel. So muss es vor vielen Jahrzehnten fast überall auf Sylt gewesen sein, als die ersten bekannten Künstler und Schriftsteller sich hier niederließen, als nur einzelne Häuser dort standen, wo heute ein Millionenobjekt neben dem anderen thront. Mit der erst langsamen, dann aber immer rasanteren Entwicklung von Sylt zur „Königin der Nordsee“ kamen der Jetset, das große Geld und schließlich die Urlauberströme. Doch es gehört zu den großen Stärken des Eilandes, das es sich seine Ursprünglichkeit in weiten Teilen bewahrt hat. Syltkenner wissen das, und auch deshalb kommen sie immer wieder gerne hierher. Sollen die Leute doch spotten über „Schicki-Micki“ in Kampen oder in der „Sansibar“, sollen sie sich lustig machen über Bausünden an der Westerländer Promenade oder über Quadratmeterpreise von 30.000 Euro philosophieren. Was kümmert all das den wahren Sylt-Liebhaber, für den der Genuss auf der Insel nichts mit Geld und Glamour zu tun hat, sondern mit wunderschöner Natur und herrlicher Ruhe? Richtig: Es kümmert ihn (oder sie) überhaupt nicht.

Für alle, denen es genauso geht und für alle, die ein Stück ganz „echtes Sylt“ für sich entdecken möchten, haben wir eine besondere Touren-Empfehlung: eine Wanderung durch die Lister Dünen, zu einer Düne, die selbst „wandert“.

Eines vorweg: Die Dünen stehen unter Naturschutz, weshalb zu mindestens 98 Prozent aller Flächen außer Schafen hier niemand Zutritt hat. Zäune gibt es zwar kaum, dafür aber eindeutige Hinweisschilder. Daran sollte sich jeder halten, denn Dünenschutz ist immer auch Küstenschutz und damit letztlich ein Beitrag zur Bewahrung der Sylter Schönheit. Durch die Heide und die Dünen führen allerdings schmale Wanderwege, die wunderbare Ausblicke bieten. Wer sich an diese Wege hält und nicht einfach „querfeldein“ läuft, der macht alles richtig.

Unsere Wanderung, auf der wir selbst in der Hochsaison manchmal auch nach einer Stunde noch keinem anderen Menschen begegnen, beginnt an der Friedhofskapelle in List. Sie liegt ein wenig versteckt an der Friedhofstraße, die über die Mövenbergstraße zu erreichen ist. Der schnellste Weg dorthin führt zum Beispiel von Westerland oder Kampen aus immer Richtung Norden, über die Lister Straße bzw. die Listlandstraße. Westerheide und Süderheidetal lassen wir links bzw. recht liegen und fahren immer weiter Richtung List. Es geht ein paar Meter durch den Ort, bis links die „Sylter Eismanufaktur“ und rechts das „A-ROSA“-Hotel in den Blick kommen. Ein Schild weist nach links zur Kurverwaltung, und genau hier biegen wir ab. Über die Dünenstraße geht es weiter gen Norden, bis zur Mövenbergstraße. Würden wir ihr weiter folgen, würde sie uns bis zur Jugendherberge List-Mövenberg führen. Wir passieren aber rechter Hand die Straße „Am Brünk“ und nehmen dann die nächste Möglichkeit zum Abbiegen nach links. Achtung, die Einfahrt liegt tatsächlich etwas versteckt und führt durch eine kleine Lücke in den charmanten Reihenhäusern mit ihren üppig blühenden Vorgärten.

Der nun eingeschlagene Weg ist keine hundert Meter lang und endet schon bald vor einem Tor. Mehr als zwei oder drei Parkplätze gibt es an der Kapelle nicht, die hier steht – aber da sich, wie gesagt, kaum ein Urlauber hierhin verirrt, genügt das oft schon. Sollten die Stellplätze doch mal belegt sein, gibt es auf den Parkstreifen an der Mövenbergstraße genügend ebenfalls kostenfreie Alternativen.
Gegenüber der Kapelle führt ein schmaler Weg durch Bäume und Büsche, mitten hinein in die Dünenlandschaft. Der sanfte Anstieg ist nicht allzu anstrengend, und schon nach etwa 200 Metern ist das erste „Highlight“ erreicht. Auf einer kleinen Dünenkuppe machen wir Rast und drehen uns beinahe automatisch einmal um die eigene Achse. Der 360-Grad-Rundumblick ist nämlich einfach fantastisch. Wir blicken bis zur Wanderdüne und über sie hinweg bis aufs Meer. Wir sehen in der anderen Richtung Richtung Königshafen ebenfalls das Meer, und ganz im Norden sogar den Ellenbogen mit seinem markanten Leuchtturm. Der Weg führt weiter in einem sanften Auf und Ab mitten durch die Dünen und die blühende Heide. Jede neue Erhebung bietet grandiose Aussichten und tatsächlich „Sylt pur“. Nach etwa anderthalb Kilometern ist der Fuß der Wanderdüne erreicht. Wer weiter gehen möchte, wendet sich nach rechts und kommt am Ende der „großen Runde“ an der Jugendherberge heraus. Alle anderen treten den Rückweg an und genießen denselben Weg noch einmal – nun mit Blick voraus in die andere Richtung und aufs „andere Meer“.

Noch ein Tipp: Vom Ausgangspunkt unserer Wanderung aus ist fußläufig ein weiterer besonders „aussichtsreicher“ Punkt zu erreichen. Einfach gut 300 Meter die Mövenbergstraße gen Norden entlang laufen und dann nach dem letzten Haus auf der linken Seite die Holztreppe in die Dünen erklimmen. Die Mühe lohnt sich, denn oben wartet eine wunderschöne Aussichtsplattform, von der aus sich der gesamte Norden der Insel überblicken lässt. In der Ferne sind die Fähren von Dänemark zu erkennen, der rot-weiße Leuchtturm am Ellenbogen strahlt in der Sonne, das tiefblaue Meer bildet einen herrlichen Kontrast zum leuchten Rosa der blühenden Syltrosen: das und noch viel mehr genießen wir hier in herrlicher Stille und wohltuender „Einsamkeit“. Das wirkliche, das echte Syltgefühl – hier lässt es sich wirklich hautnah erleben.